Orthopädisch-traumatologische Rehabilitation

Orthopädisch-traumatologische Rehabilitation

Was genau bedeutet orthopädisch-traumatologische Rehabilitation?

2005 wurde das Fachgebiet Orthopädie mit dem chirurgischen Teilgebiet/Schwerpunkt Unfallchirurgie (Traumatologie) zusammengelegt. In der orthopädisch-traumatologischen (kurz: orth.-traumat.) Rehabilitation werden Schäden des Bewegungsapparates entweder durch Abnutzungserscheinungen (sog. degenerative Veränderungen) oder aufgrund von Unfallereignissen behandelt.

Welche Erkrankungen sind die Hauptgründe?

Brennpunkt Gelenkersatz: Die Hauptgründe für ein orth.-traumat. Heilverfahren liegen im Bereich der Endoprothetik, also des künstlichen Gelenkersatzes. Im Jahr 2011 wurden in Deutschland eingesetzt:

  • ca. 214.000 Hüft gelenks-Totalendoprothesen
  • ca. 160.000 Kniegelenks-Totalendoprothesen

Insgesamt waren (und sind) es weit über 400.000 Gelenkimplantate pro Jahr. Als Ursache für die Implantation eines künstlichen Gelenks stehen die degenerativen Veränderungen (Abnutzungserscheinungen, Gelenkarthrose) weit im Vordergrund. Die meisten der orthopädischen Indikationen zu Gelenkoperation und Rehabilitation sind nicht auf zu viel, sondern auf zu wenig Bewegung zurückzuführen.

Warum hilft Ihnen Bewegung bei der Heilung?

Ob zur Vorbeugung oder nach einer Operation: Bewegung ist wie eine Massage für Ihren Knorpel. Dabei neigen Patienten mit schmerzenden Knie- oder Hüftgelenken zu einer Schonhaltung. Eine solche Haltung belastet jedoch andere Gelenke, Sehnen und Bänder Ihres Körpers. Die Antwort: ebenfalls Schmerzen. In der Rehabilitation achten Physiotherapeuten mit auf solche Fehlbelastungen, finden für Sie ausbalancierte Bewegungen (inklusive der richtigen Dosis und Belastung) und sorgen mit entsprechenden Übungen für einen Muskelaufbau, der Ihr betroffenes Gelenk stabilisiert und Beweglichkeit fördert.

Brennpunkt Wirbelsäule: Auch Operationen an der Wirbelsäule (Bandscheiben-OPs, Segmentversteifungen, Dekompressionen) sind häufige Gründe für eine orthop.-traumat. Rehabilitation. Derartige Eingriffe haben in Deutschland von 2006 bis 2011 um ca. 136 % zugenommen: von rund 97.000 auf etwa 229.000 Eingriffe. Das betrifft vor allem die Bandscheibeneingriffe (plus 58 %), die Versteifungsoperationen (sog. Spondylodese, plus 238 %) und die Revisionen oder Materialentfernungen.

Nicht alle Patienten benötigen nach einer Wirbelsäulenoperation eine stationäre Rehabilitation, in vielen Fällen ist eine gezielte Nachbehandlung für Sie jedoch wichtig bis unerlässlich. Ein schlechter Rücken, der jahrelang Schmerzen bereitet und im Röntgenbild deutliche Abnutzungen und/oder Fehlstellungen zeigt, wird durch eine Operation nicht zu einem guten Rücken.

Nach der OO: Warum braucht ihr Rücken Kraft?

Erst durch das konsequente Training zum Aufbau einer kräftigen Rumpfmuskulatur nach dem operativen Eingriff können Sie die alten Defizite nachhaltig lindern oder beseitigen.

Brennpunkt Unfälle und Stürze: Die letzte Hauptgruppe ist die operative Behandlung von Unfall- und Sturzfolgen durch:

  • Verkehrsunfälle (Auto, Motorrad, Fahrrad, Fußgänger)
  • Sportunfälle (z.  B. Knochenbrüche, Bänderrisse, Gelenkverrenkungen)
  • banale Stürze – mit gar nicht banalen Folgen (z. B. Schenkelhalsfraktur)

Welche Kostenträger übernehmen die Rehabilitation?

Bei geeigneter Indikation geben alle Kostenträger ihre Zustimmung zu Anträgen. In vielen privaten Krankenversicherungsverträgen kommt die Rehabilitation jedoch nicht vor. Die privaten Krankenversicherungen passen sich aber den Gepflogenheiten der gesetzlichen Kostenträger an und übernehmen die Anschlussrehabilitation bei geeigneter Indikation.

Was spricht für eine ambulante oder eine stationäre Rehabilitation?

Stationär:

  • keine Sorgen um Alltagsbelastungen für die erste Phase nach einem Krankenhausaufenthalt (z. B. An-/Auskleiden, Körperpflege, Treppensteigen, Einkaufen, Autofahren, das Erreichen ambulanter Einrichtungen usw.)
  • umfangreiches Therapieangebot, da sich alles unter einem Dach befindet
  • vor allem für ältere/alleinstehende Patienten gut geeignet
  • typische Indikationen: Hüftgelenks-Totalendoprothesen, Kniegelenks-Totalendoprothesen, nach problematischen Bandscheiben-OPs

Ambulant:

  • spezielle Krankheitsbilder eignen sich sehr gut für eine ambulante Behandlung
  • betreffen oft junge Menschen, die mit dem ambulanten Therapiekonzept gut zurechtkommen und mobil sind
  • spätere Phasen der Nachbehandlung parallel zur beruflichen Tätigkeit
  • typische Indikationen: unproblematische Bandscheiben-OPs, Meniskusriss, vordere Kreuzband-Ersatzplastik des Kniegelenks

Wie ist der Ablauf einer Anschlussheilbehandlung?

Die orth.-traumat. Anschlussheilbehandlung beginnt nach Kostenzusage durch den zuständigen Kostenträger. Innerhalb von zwei Wochen nach dem Krankenhausaufenthalt. Meist verlässt der Patient das Krankenhaus schon etwa eine Woche nach der Operation. Das ist die Folge der in den letzten Jahren stark rückläufigen Krankenhausverweildauer. In Ausnahmefällen (z.B. komplizierter Wirbelsäuleneingriff, Behandlung eines Knochenbruchs mit längerfristiger Teilbelastung des betroffenen Beins) sollte ein späterer Beginn der Maßnahme mit dem Kostenträger vereinbart werden. Die Regelverweildauer beträgt drei Wochen. Falls medizinische Gründe vorliegen, kann eine Verlängerung beantragt werden.

Welche Therapiebausteine sind sinnvoll?

Das Behandlungsprogramm wird individuell auf Sie zugeschnitten. Es setzt sich aus Einzel- und Gruppenanwendungen zusammen wie beispielsweise:

1. Einzelanwendungen (aktiv)

  • krankengymnastische Einzelbehandlung/manuelle Therapie
  • krankengymnastische Einzelbehandlung im Wasser
  • Ergotherapie
  • Einführung in die medizinische Trainingstherapie
  • psychologische Einzelbetreuung
  • Pilates-Einzeltraining

2. Einzelanwendungen (passiv)

  • klassische Massage
  • manuelle Lymphdrainage
  • Fußreflexzonenmassage
  • Akupunktmassage (nach Penzel)

3. Gruppenanwendungen (aktiv)

  • Gruppentraining im Wasser (z.B. Hüft-, Knie-, Wirbelsäulengruppe)
  • Gangschule in der Gruppe (z.B. als Terraintraining)
  • medizinische Trainingstherapie unter Aufsicht
  • ADL-Training in der Gruppe (ADL = Aktivitäten des täglichen Lebens)
  • Pilates-Gruppe
  • Entspannungstraining in der Gruppe (z.B. progressive Muskelrelaxation nach Jacobson/PMR)

4. Einzelanwendungen (diagnostisch, beratend)

  • ärztliche Visiten
  • ärztliche Diagnostik (Gelenksonographie nach Gelenkoperation, Gefäßsonographie bei Thromboseverdacht etc.)
  • Konsiliaruntersuchungen durch Ärzte anderer Fachbereiche (Beispiel: internistische Betreuung bei Auffälligkeiten des Blutdrucks nach Operation/Narkose)
  • Ernährungs-, Diätberatung
  • Sozialberatung

5. Gruppenanwendungen (beratend)

  • Vorträge verschiedenen Inhalts (Ernährung, Osteoporose, Leben mit der Endoprothese…)
  • Raucherentwöhnungsgruppe

Wie geht es im Anschluss an die Rehabilitation weiter?

Die Rehabilitation ist nur so gut wie die Qualität der nachfolgenden Maßnahmen. Ich bezeichne im Arzt-Patienten-Gespräch die Rehabilitation oft als ein Seminar, in dem Ihnen verdeutlicht wird, was zu Ihrer Genesung erforderlich ist.

Anfangs müssen viele der Maßnahmen durch Ärzte und Therapeuten erfolgen. Im weiteren Verlauf des Heilungsprozesses werden Sie als Patient jedoch immer stärker zum eigenverantwortlich Handelnden  – und insofern immer mehr zu „Ihres Glückes Schmied“!

Ein Beispiel: Wenn ein seit einem Jahr schmerzendes und in der Bewegung eingeschränktes Hüftgelenk mit einem künstlichen Gelenkersatz (Totalendoprothese, TEP) versorgt wird, sind die Folgen durch die Operation und einen dreiwöchigen Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik nicht vollständig zu beseitigen. Zwar mag der Schmerz abgeklungen, die Narbe verheilt und die Gehfähigkeit in angemessenem Rahmen wieder hergestellt sein. Die Folgen des Bewegungsmangels sind aber noch nicht beseitigt:

  • schwächere Muskulatur des betroffenen Beines
  • Gangbild folgerichtig noch nicht optimal
  • allgemeine Belastbarkeit noch beeinträchtigt
  • schwacher Kreislauf und Stoffwechsel
  • schwächere Abwehrkräfte (Immunsystem)
  • Gangunsicherheit (Sturzrisiko!)
  • viele weitere körperliche, seelische und kognitive (geistige) Funktionen sind noch beeinträchtigt

Wie setzen Sie das Erlernte motiviert und erfolgreich fort?

Kostenträger bieten etliche Möglichkeiten an, das in der Reha Erlernte fortzusetzen z.B.:

  • die „Intensivierte Rehabilitationsnachsorge“ (IRENA) der Deutschen Rentenversicherung,
  • das „Ambulante Stabilisierungsprogramm“ (ASP) der Deutschen Renteversicherung,
  • Rehabilitationssport und Funktionstraining: die Verordnung erfolgt durch Ihren Arzt, Dauer: zwischen 12 und 36 Monaten (je nach Indikation),
  • Schulungs- und Trainingsangebote Ihrer Krankenkasse,
  • sonstige Präventionskurse.

Vieles liegt aber auch ganz simpel in Ihrer Hand und Kreativität! Weitere Informationen unter: www.deutsche-rentenversicherung.de und bei Ihrer Krankenkasse