Warum werden Kohlenhydrate immer nur verteufelt? Viele meiner Patienten/innen fragen mich, was ich von den sogenannten Low-Carb-Diäten (kohlenhydratreduzierte Diäten) halte und wie viel sie nun an Kohlenhydraten zu sich nehmen sollen. Low-Carb? Ja, aber nur in Bezug auf die schlechten Varianten. Mittlerweile ist es wissenschaftlich belegt, dass es auf die Qualität des Nährstoffs ankommt. Wenn Sie die „leeren“ Kohlenhydrate aus Weißmehlprodukten, Süßigkeiten & Co. links liegen lassen und den wertvollen „komplexen“ Kohlenhydraten den Vorzug geben, steigern Sie Ihre geistige und körperliche Leistungsfähigkeit.

Lassen Sie Ihren „Motor“ nicht ausgehen

Neben einer vitalstoffreichen Ernährung mit viel Obst und Gemüse, einer fettbewussten Ernährung sowie dem Fokus auf hochwertige Eiweißquellen können Sie vor allem mit den richtigen Kohlenhydratquellen die Fitness-Leiter hinaufsteigen, denn: Ihre Organe wie das Gehirn und Ihre Muskeln benötigen Energie, um leistungsfähig zu sein. Ohne Kohlenhydrate geht Ihr Motor aus – und das nicht nur beim Sport. Der Nährstoff wird in Muskeln und Leber in Form des sogenannten Glykogens gespeichert. Der Schlüssel zu mehr Fitness sind gut gefüllte Vorratsspeicher. Untrainierte können ungefähr 400 g Kohlenhydrate in dieser Form speichern. Ausdauertraining vergrößert die Energiespeicher, sodass mehr Kohlenhydrate gebunkert werden können (= aktives „Carboloading“). Das Muskel-Glykogen – etwa 75 Prozent der Gesamtmenge – ist wichtig für Ihre muskuläre Leistungsfähigkeit. Das restliche Glykogen, zirka 25 Prozent, dient der Energieversorgung Ihrer Organe und verbessert Ihre geistige Leistungsfähigkeit. Als Faustformel können Sie sich merken, dass Kohlenhydrate mit rund 55 Prozent den Hauptanteil Ihrer täglich aufgenommenen Energiemenge ausmachen sollten.

Kurzkettige Kohlenhydrate machen schlapp und dick

Viele Menschen decken ihren Kohlenhydrat-Haushalt größtenteils mit „leeren“ und kurzkettigen Kohlenhydraten, wie sie z.B. in Weißbrot, hellen Brötchen, Fast Food, Limonaden, Schokolade und Süßigkeiten enthalten sind. Eine solche Nahrungsaufnahme nenne ich „schlaffe Ernährung“.

Kennen Sie das? Sie sitzen nach dem Essen oder einem Snack wieder am Bürotisch oder auf der Couch – und schon nach kurzer Zeit überkommt Sie der Heißhunger. Ganz logisch, denn: Kurzkettige Zuckermoleküle werden wesentlich schneller ins Blut aufgenommen als lange und verzweigte. Dadurch schnellt Ihr Insulinspiegel im Blut in die Höhe, und Ihr Blutzuckerspiegel fällt wieder rapide ab. Fatale Folge: Ihr Gehirn sendet das Signal „Hunger“. Außerdem blockieren Insulinspitzen den Fettabbau und fördern so indirekt den Aufbau des Fettdepots. Ein stark fallender Blutzuckerspiegel kann auch zum Konzentrationsabfall, sogar zu Problemen mit dem Gleichgewicht und dem bekannten „Schwarz-vor-den-Augen-Werden“ führen.

Erste einfache Schritte in eine zuckerreduzierte Ernährung

Süßempfinden ist reine Gewohnheitssache!

  1. Probieren Sie Ihren Kaffee und Tee einfach einmal ohne Zucker, oder reduzieren Sie die Menge Zucker von Tag zu Tag.
  2. Tauschen Sie zudem Limonaden und Cola-Getränke gegen Fruchtsaftschorlen aus: entweder 1:1 oder 1 Teil Fruchtsaft und 2 Teile Wasser.
  3. Auch frische Früchte wie Erdbeeren und Johannisbeeren sollten Sie nicht zu stark zuckern. Das überdeckt zudem deren einzigartigen Eigengeschmack.

Erfolgsstrategie: Setzen Sie auf komplexe vollwertige Kohlenhydrate

Essen Sie nach Möglichkeit nur langkettige Kohlenhydrate. Sie sind der beste und längste Lieferant für Energie! Quelle: 123rf
Essen Sie nach Möglichkeit nur langkettige Kohlenhydrate. Sie sind der beste und längste Lieferant für Energie! Quelle: 123rf

Komplexe Kohlenhydrate hingegen verfügen über eine komplizierte Molekülstruktur, bei denen es wesentlich länger dauert, bis Ihr Organismus sie in die für ihn verwertbare Glukose zerlegt hat. Dieser Prozess versorgt Ihren Körper kontinuierlich und langfristig mit Energie – ohne Insulinspitzen und deren Folgen wie Heißhunger und Leistungsknick.

Stärkehaltige Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Nudeln, Kartoffeln, Brot und Müsli enthalten komplexe Kohlenhydrate. Geben Sie den ballaststoffhaltigen Vollwert-Varianten (z.B. Vollkornbrot und -nudeln sowie Naturreis) den Vorzug. Sie halten nicht nur länger satt, liefern Ihnen einen wertvollen Cocktail an gesunden Vitalstoffen und bringen Ihren Darm in Schwung, sondern Ballaststoffe lassen auch Ihren Blutzucker langsamer ansteigen: für lang anhaltende Energie. Bereichern Sie Ihren Speiseplan zudem zwei- bis dreimal die Woche mit Hülsenfrüchten, denn sie bieten neben einem günstigen Eiweißanteil Kohlenhydrate mit einem niedrigen glykämischen Index und reichlich sättigende Ballaststoffe.

Jeder profi­tiert von mehr Hülsenfrüchten, denn sie regulieren den Blutzucker und senken das Risiko für Herzerkrankungen. Das belegt u.a. eine amerikanische Studie – erschienen in den Archives of Internal Medicine. Eine Ernährung, die reich an komplexen und arm an kurzkettigen Kohlenhydraten ist, nenne ich „Fitnessernährung“.

Kaliumreiches Obst als optimale Ergänzung

Auch wenn Obst eher kurzkettige Kohlenhydrate (Trauben- und Fruchtzucker) liefert, sollte es unbedingt abwechslungsreich und saisonal mit täglich zwei bis drei Portionen eingebaut werden, denn: Neben den gesundheitsfördernden Vitalstoffen und den ebenfalls blutzuckerregulierenden Ballaststoffen (vor allem in der Schale!) enthalten viele Sorten wie Bananen und Aprikosen (vor allem als Trockenobst) auch viel Kalium. Der Mineralstoff ist unentbehrlich für einen gesunden Blutdruck und zur Kohlenhydrateinlagerung in die Muskulatur und Leber (als Glykogen).Auch Hülsenfrüchte, Nüsse, Avocados, Kartoffeln und Petersilie sind sehr kaliumreich.

Auch auf die Zubereitung kommt es an

Durch hohe Temperaturen und lange Garprozesse werden langkettige Zuckermoleküle auch in kleinere Bausteine zerlegt. Das ist bei matschigen Nudeln, Kartoffelpüree, weichgekochten Ofenkartoffeln und Pommes der Fall. Sie lassen den Blutzucker genauso schnell ansteigen, was ebenfalls zu den unerwünschten Insulinspitzen führt. Je langsamer das Lebensmittel Ihren Blutzucker steigert, desto komplexer und „hochwertiger“ wird Ihr Körper mit Energie versorgt. Bereiten Sie Lebensmittel wie Nudeln und auch Gemüse immer al dente zu. Damit verhindern Sie einen zu intensiven Zersetzungsprozess. Kartoffeln sollten Sie beispielsweise möglichst häufig als Pellkartoffeln verzehren.